In den 60er Jahren des vierten Jahrhunderts stehlen ein jugendlicher Augustinus und seine Freunde zu nächtlicher Stunde eines Nachbars Birnen vom Baum und werfen diese anschließend den Schweinen zum Fraß vor. Der scheinbar sinnlose, aber vergleichsweise harmlose Birnendiebstahl wird vom Kirchenvater in seinen Bekenntnissen später auf das Schärfste verurteilt. Während Augustinus’ harte Worte in Bezug auf seine eigene Missetat bei vielen seiner späteren Leser:innen auf Unverständnis stoßen, zeigt Hans Bernard Schmid in seinem neuesten Buch, dass gerade darin eine tiefere Einsicht in eine der moralischen Grundfragen der Menschheit verborgen liegen könnte: die Frage danach, wie menschliches Handeln Böses hervorbringt. Seine These lautet: Eine Interpretation des Birnendiebstahls als radikal improvisierte gemeinsame Handlung bietet möglicherweise den Schlüssel zum Verständnis nicht nur von Augustinus’ gnadenloser Selbstbezichtigung, sondern eben auch des nicht immer vollkommen absichtlichen Entstehens des Bösen im Zuge gemeinsamen Handelns.