Titel
„Nicht mehr raus können!“ Validität und Differenzierung der Konzepte Hausgebundenheit, Rollstuhlgebundenheit und Bettlägerigkeit: eine Delphi-Studie
Abstract
Hintergrund: Ortsgebundenheit mit den Dimensionen Hausgebundenheit, Rollstuhlgebundenheit und Bettlägerigkeit geht mit multifaktoriellen Folgen und erhöhtem Mortalitätsrisiko einher. Die Prävalenzen zu Hausgebundenheit und Bettlägerigkeit sind hoch. Um die Dimensionen der Ortsgebundenheit in der Praxis erkennen sowie präventiv oder reduktiv darauf einwirken zu können, sind valide Konzepte nötig. In Vorstudien wurden dazu literaturbasierte Konzeptanalysen zur Hausgebundenheit, Rollstuhlgebundenheit und Bettlägerigkeit durchgeführt, und es wurde ein konzeptuelles Modell der Ortsgebundenheit mit sechs Charakteristika entwickelt: Lebensraumeinschränkung, Hilfsbedürftigkeit, Machtlosigkeit, Mobilitätseinschränkung, Dauerhaftigkeit, Schwäche. Ziel dieser Studie war die Konzeptprüfung durch Differenzierung und Validierung der Dimensionen des Modells hinsichtlich Charakteristika, Ursachen und Risikofaktoren. Methode: Die Konzeptprüfung erfolgte mittels der Delphi-Methode auf Grundlage des DDV-Modells (Differential Diagnostic Validation) nach Fehring. Zur Berichterstattung wurde die CREDES-Guideline verwendet. Ergebnisse: Mit Ausnahme des Charakteristikums Dauerhaftigkeit bei der Rollstuhlgebundenheit konnte eine generelle Zustimmung für alle sechs Charakteristika erreicht werden. Mobilitätseinschränkung und Schwäche erweisen sich als Hauptmerkmale für die Differenzierung. Konsentiert wurden auch die Ursachen (physiologische Instabilität, physische Immobilität) und Risikofaktoren (Erkrankung, Komplexität, Belastung, endogene/exogene Verstärker bzw. Booster). Bei Rollstuhlgebundenheit und Bettlägerigkeit gab es zur Ursache der physiologischen Instabilität nur geringen Konsens. Keinen Konsens erhielt in allen drei Dimensionen die Ursache der physischen Immobilität durch Handkraft und Handbenutzung. Bestätigt wurden die deutschen Begriffe der ursprünglich aus der en glischen Sprache stammenden Dimensionen: Hausgebundenheit (homebound/housebound) 78,26%, Rollstuhlgebundenheit (wheelchair-bound) 60%, Bettlägerigkeit (bedridden) 80%. Diskussion: Während es zu den Dimensionen Hausgebundenheit und Bettlägerigkeit mit wenigen Ausnahmen einen hohen Konsensgrad von Zustimmung/Ablehnung zu den Charakteristika, Ursachen und Risikofaktoren gibt, zeigt sich diese Eindeutigkeit bei der Rollstuhlgebundenheit nicht. Eine mögliche Ursache ist die Mehrdeutigkeit des Begriffs (aktive/passive/dauerhafte/vorübergehende Rollstuhlgebundenheit). Kritisch zu sehen ist die Ablehnung von physischer Immobilität durch Handkraft und Handbenutzung, stellt diese doch einen wesentlichen Beitrag sowohl in der selbstständigen Fortbewegung des Rollstuhls als auch beim Drehen und Aufsetzen im Bett dar. Ebenso ist vor dem Hintergrund der Prävention der Konsens darüber zu hinterfragen, dass bettlägerige Personen einerseits zur Fortbewegung einen Rollstuhl benötigen und andererseits keine Sitzposition aufrechterhalten können. Kann eine aufrechte Sitzposition gehalten werden und/oder wird diese zum Erhalt der orthostatischen Stabilität gefördert, entspricht dies einer Rollstuhlgebundenheit. Schlussfolgerung: Die Validität der Dimensionen des Modells der Ortsgebundenheit ist ein wesentlicher Beitrag zur evidenzbasierten Gesundheitsversorgung und stellt eine Grundlage für die Entwicklung von pflegerischen und interdisziplinären Interventionen zur Prävention und Reduktion von Ortsgebundenheit dar. Mobilität hat nicht nur einen großen Einfluss auf die individuelle Lebensqualität, sondern auch auf Ressourcen im Versorgungssystem. Ein valides Konzept ist demnach nicht nur für die Wissenschaft und Forschung, sondern auch für die Wirtschaft und Gesundheitspolitik von Bedeutung. Allerdings sind dazu weitere Studien zur Validitätsprüfung im klinischen Setting mit den Betroffenen selbst notwendig.
Stichwort
HausgebundenheitRollstuhlgebundenheitBettlägerigkeitGebundenheitDelphi-Studie
Objekt-Typ
Sprache
Deutsch [deu]
Persistent identifier
Erschienen in
Titel
Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen
Band
173
ISSN
1865-9217
Erscheinungsdatum
2022
Seitenanfang
1
Seitenende
16
Publication
Elsevier BV
Erscheinungsdatum
2022
Zugänglichkeit

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