Abstract
Modegeschichtsschreibung und Ausstellungspraxen neigen dazu, affirmativ das Beste vom Besten zu zeigen, Mode als Abfolge von Innovation und Reaktion zu erzählen. Was dabei aus dem Blick gerät, ist die gerade für Wien bezeichnende, liebgewonnene Anhäufung von ästhetischem Überschuss, von Scheußlichkeit und Unbeholfenheit. Dieser Artikel wendet sich den Schattenseiten zu. In ihrer Devianz, Boshaftigkeit und der Fähigkeit, ihre Träger:innen unmöglich zu machen, kann Wiener Mode als widerständige Handlung verstanden werden. Sechs Fallstudien unternehmen den Versuch, selten berücksichtigte Quellen heranzuziehen, um die lineare Erzählung vom Wiener Kongress bis zu den Wiener Werkstätten zu revidieren. Von Maria Theresias gescheiterten Erlässen über Kaiserin Elisabeths nackten Körper bis hin zur Modistin als Delinquentin beschränken sich die kleinen Tiefenbohrungen auf den kurzen Zeitraum von der Mitte des 18. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier werden – so die These – die diskursiven Voraussetzungen für ein spezifisch wienerisches Verständnis für Mode geschaffen.
Fashion historiography and exhibition practices tend to affirmatively show the best of the best, to narrate fashion as a sequence of innovation and reaction. What is lost sight of in the process is the accumulation of aesthetic excess, of hideousness and awkwardness that characterizes Vienna in particular. This article turns to the darker side. In its deviance, malice and ability to make its wearers impossible, Viennese fashion can be understood as an act of resistance. Six case studies attempt to draw on rarely considered sources in order to revise the linear narrative from the Congress of Vienna to the Wiener Werkstätten. From Maria Theresia’s failed decrees to Empress Elisabeth’s naked body to the modiste as delinquent, the small in-depth studies are limited to the short period from the middle of the 18th to the second half of the 19th century. Here, according to the thesis, the discursive prerequisites for a specifically Viennese understanding of fashion are created.