Titel
Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit. Habilitationsschrift
Anton Tantner
Abstract
Im Jahr 1630 gründete der Arzt Théophraste Renaudot in Paris das "Bureau d'adresse", eine Einrichtung, deren Zweck es vorwiegend war, Informationen zu vermitteln: Wer auch immer etwas kaufen oder verkaufen wollte, Arbeit oder Wohnung suchte, konnte sein Anliegen gegen Gebühr in ein am Ort des Adressbüros aufliegendes Register eintragen lassen; umgekehrt konnten Interessenten - Frauen war der Zugang zu Renaudots Bureau verwehrt - gegen Gebühr Auszüge aus diesem Register erhalten. Weiters diente das "Bureau d'adresse"der medizinischen Betreuung von Armen, als Pfandhaus sowie als eine Art wissenschaftliche Akademie; wöchentlich wurden dort Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen gehalten, zum Beispiel über Medizin, physikalische Phänomene oder Ökonomie. Auch in anderen europäischen Städten entstanden im 17. und 18. Jahrhundert derlei Adressbüros, die zumeist allerdings nicht eine so große Bandbreite an Funktionen abdeckten wie das Pariser Vorbild, sondern sich auf profanere Vermittlungstätigkeiten beschränkten: Ihre Kernfunktionen waren diejenigen einer Verkaufsagentur, einer Arbeits- sowie einer Immobilienvermittlung. Beispiele für solche Adressbüros wären die in London gegründeten "registry"oder "intelligence offices", die in der Habsburgermonarchie errichteten "Frag- und Kundschaftsämter"sowie die in anderen deutschsprachigen Städten installierten "Adresscomptoirs", "Berichthäuser"bzw. "Intelligenzämter". Ziel der Studie war es, zu einer vergleichenden, vorwiegend empirisch orientierten Darstellung dieser bislang eher unbeachtet gebliebenen Institutionen des frühneuzeitlichen Umgangs mit Informationen zu kommen; der räumliche Fokus richtete sich dabei auf Frankreich, England sowie Städte in deutschsprachigen Ländern. Im Falle Frankreichs und Englands wurden hauptsächlich gedruckte Quellen (wie z. B. Projektankündigungen, Broschüren, Annoncenblätter) herangezogen, während für die deutschsprachigen Länder darüber hinaus für einzelne Städte (Wien, Prag, Brünn, Innsbruck, Berlin und Altona) umfangreiche archivalische Nachforschungen vorgenommen wurden. Die Arbeit wurde im August 2011 an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Habilitationsschrift für das Fach "Neuere Geschichte"eingereicht und im Juli 2012 nach Begutachtung durch Wolfgang Behringer, Peter Burke und Barbara Stollberg-Rilinger im Rahmen eines Habilitationskolloquiums vorgestellt. Ihre Einleitung beinhaltet eine wissenschaftliche Fiktion, in der ein imaginäres, im süddeutschen Raum angesiedeltes Adressbüro beschrieben wird; im Anschluss werden an den Untersuchungsgegenstand Fragen gestellt, die durch den Medienbruch der letzten Jahre virulent geworden sind. Im Zuge der Recherchen stellte sich allerdings heraus, dass die erhaltenen Quellen es leider nur unzureichend erlaubten, die genannten Fragen zu beantworten; immerhin, als gesichertes Ergebnis konnte festgestellt werden, dass Adressbüros mit ihrer registerbasierten Vermittlungstätigkeit als Wegbereiter der "Medialisierung"zwischenmenschlicher Beziehungen angesehen werden können, das heißt, sie trugen bei zum "Prozess der Durchdringung des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens mit (medien-)vermittelter Kommunikation"(Jürgen Wilke). Weiters können sie als Agenten der "Informatisierung"betrachtet werden, das heißt, sie ermöglichten es zumindest partiell, Informationen unabhängig von den konkreten Subjekten nutzen zu können. Die vorliegende "kleine Pionierarbeit"(Wolfgang Behringer) soll auch im Papieruniversum veröffentlicht werden; zu diesem Zweck ist eine Überarbeitung nach Vorschlägen der Gutachterin und der Gutachter beabsichtigt.
Stichwort
Adressbüro, Informationsvermittlung, Suchmaschine
Objekt-Typ
Sprache
Deutsch [deu]
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:128115
Zugänglichkeit

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