Abstract
Im Zuge der 2004 begonnenen Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek (UB) Wien zeigte sich, dass nicht nur während des Krieges, sondern auch danach Bücher bedenklicher Herkunft in die Bibliothek gelangt waren. 1949 hatte die »Büchersortierungsstelle« die Aufgabe erhalten, während der NS-Zeit vornehmlich jüdischen Eigentümern geraubte Bücher, deren Vorbesitzer nicht mehr nachzuweisen waren, an österreichische Bibliotheken zu verteilen. 1951 wurden von der »Büchersortierungsstelle« etwa 150.000 Bücher an die UB Wien abgegeben. Darunter waren Bücher aus dem Dorotheum (einer der wesentlichen Agenturen zur Veräußerung geraubten Eigentums in der NS-Zeit), ein Teil der »Bücherei der Gestapoleitstelle Wien« (die durch den Raub von Privatbibliotheken zustande gekommen war) und als größter Teil Restbestände der Bibliothek der »Hohen Schule« der NSDAP. Diese war während des Krieges von Berlin nach Kärnten transferiert und in dem ehemaligen Kloster Tanzenberg (bei St. Veit an der Glan) untergebracht worden. Ein beträchtlicher Teil der Bücher der »Hohen Schule« stammte aus den Raubzügen des »Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg« (ERR) in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten West- und Osteuropas. Als »herrenloses Gut« etikettiert, evozierte diese Bestandsvermehrung damals keine weiteren Fragen. Erst nach einer Intervention der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurden die der UB Wien zugesprochenen Bücher Ende der 1950er Jahre zwischen der UB Wien und National- und Universitätsbibliothek Jerusalem aufgeteilt. Als Ergebnis der Projektarbeit konnte festgestellt werden, dass in den 1960er Jahren von den der UB Wien verbliebenen rund 80.000 Büchern nur etwas mehr als 10 Prozent unter der Pauschalbezeichnung »Sammlung Tanzenberg« in die Kataloge eingearbeitet wurden. Da sich in den Büchern äußerst wenige aussagekräftige Hinweise befinden, sind einer Identifizierung der Vorbesitzer/ Vorbesitzerinnen enge Grenzen gesetzt. Mit der Dokumentation der »Sammlung Tanzenberg« ist jetzt die Voraussetzung für weitere Maßnahmen zur Rückgabe gegeben.